Der Weg wird

Da teilst Du ein Stück Alltag. Es platzt einfach aus Dir heraus, weil am Morgen das Fass überläuft, weil die ganze Suppe mal wieder über den Rand trieft. Aus jenem Fass, welches ohnehin ständig bis zur Kante gefüllt ist, welches Du nur mit Mühe immer wieder oberflächlich leerst, so dass es gerade so geht. Gerade so, unter Aufbietung aller Kräfte. Nun also, am Morgen, läuft es über, mal wieder.

Du teilst Dein Stück Alltag, verpackst es in eine rhetorische Frage, und denkst schon gar nicht mehr daran, als Du zur Arbeit losfährst. Es ist ja doch zu sehr Dein ewiger Alltag, es sind Deine gewohnten, nie in Frage gestellten, jedenfalls nie abgeschüttelten Rituale.

Und dann geschieht, woran Du nicht ansatzweise gedacht, womit Du  überhaupt nicht gerechnet hast. Du wirst gelesen. Und nicht nur das – Dir wird geantwortet. Du entdeckst dies nach der Schule. Starrst auf all die Mitteilungen, all die Textstückchen, in denen rückgefragt, von Eigenem erzählt, Erfahrungen geteilt werden. Du antwortest zögerlich, gibst ein paar Details preis, wirst immer offener … und erhältst im Dialog immer mehr zurück. Es wird gefragt, wieder und wieder, und jedes Mal weisen die klitzekleinen Gesprächsfäden woanders hin. In Richtungen, an die Du schon längst gedacht, sie probiert, als aussichtslos verworfen hast. Aber auch in Richtungen, die neu sind oder wären, wenn Du denn den Mut hättest, Dich hineinzubegeben.

Vieles kommt zu Dir. Fragen, vor allem die Fragen sind es, die Deine Gedanken in Bewegung setzen, und Deine Emotionen mit ihnen. Da wird Schmerz wach, vergangener und zukünftiger. Es rüttelt Dich durch und durch, in diesen heftigen Nachmittagsstunden. Damit hattest Du am Morgen nicht gerechnet.

Was bleibt? Das, was ein Gewitter immer hinterlässt: Etwas Reinigung, etwas Klärung, fürs Erste im Inneren. Die Bewusstwerdung, dass es Zeit ist. Und dass wohl auch Hilfe nötig sein wird. Dass es Hilfe gibt, das auch. Dass zum Beispiel Gespräche helfen. Schon diese schriftlichen Minigespräche am Nachmittag, die haben Dich ein Stück zu Dir geführt.

Du bist dankbar für diese heftigen Stunden und das, was sie mit sich gebracht haben. Und Du hoffst, dass der Tag ein Schritt war. Einer von wer weiß wie vielen, auf einem wer weiß wie langen Weg. Dass es endlich-endlich weitergehen muss, und wird!, das steht an diesem Nachmittag klar vor Dir. Du spürst eine Kraft in Dir, für weitere Schritte, für Spagate, für Abgründe auch. Wer weiß schon, was kommen wird. Aber Kraft, die kann nicht schaden. Die nimmst Du Dir mit aus diesem Nachmittag.

Als es dann Abend wird und Du wieder zu Hause bist, läuft das Fass erneut über. Ein ähnlicher Anlass wie am Morgen, eine ähnliche Konstellation. Nicht zufällig wohl. Denn Du hörst Dich mit fester Stimme das Deine darlegen. Deine Sicht, Deine Grenzen, Deine Position. In klarer und ruhiger Form – Du staunst. Du staunst noch mehr, als Du genau dieses kurz darauf der Freundin am Telefon wiedergibst. In ebenso klarer und fester Form. Die Freundin staunt auch: Was ist denn mit Dir passiert?

Och, Du sagst lieber erstmal nichts. Registrierst, dass Dein Sagen gehört und angenommen wurde, für den Moment. Ob mit knirschenden Zähnen oder nicht, das weißt Du nicht. Es ist Dir aber auch egal. Ohnhin musst Du jetzt endlich – der Tag ist ja fast vorbei – ein bisschen Schule vorbereiten. Spät ist es geworden für Deine Vorbereitungen. Aber das ist heute egal. Du hast an diesem Tag etwas anderes geschafft.

Ja, Du hast ein bisschen Arbeit im Innern geleistet. Du siehst es Dir selbst an. Aus Dir leuchtet plötzlich wieder die kleine Ahnung, die Dir lang verborgen war. Die Ahnung nämlich, dass der Weg sich Dir zeigen und öffnen wird.

Ja. Da ist Zuversicht.
Der Weg wird.

Danke.
(Insbesondere an alle, die hier heute – und überhaupt – beteiligt waren.)

 

9 Kommentare

  1. Nach „ein bißchen“ Arbeit im Inneren klingt das nicht, sondern nach Subbotnik beim Rübenverziehen. Ja, da sind auch nur kleine Handgriffe, die kleinen Pflänzchen müssen ausgedünnt, versetzt werden, den ganzen Tag lang auf Knien oder mit krummem Rücken.

    Ich wünsche Dir viel, sehr viel Kraft, Festigkeit, und Hilfe, die Du annehmen kannst.

    (Ähnliches gab es auch bei mir schon, im Blog, per Mail, per Telefon – aber noch nicht so offen wie bei Dir.)

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  2. Ich wünsche dir viel, viel Kraft und Stärke und Klarheit und Ruhe für jeden einzelnen Schritt des Weges. Ja, du schaffst das!
    Dein neuer Blog hier gefällt mir sehr. In jedem Wort kommt eine neue Frau Rebis zum Ausdruck. Das ist gut.
    Herzliche Grüsse
    Maria

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    1. Berührt Dich hier zu finden … Oft habe ich an Dich gedacht, an unsere Mailgespräche, an das, was ich (auch) Dir verdanke.
      Ja, „neu“ nennst Du es. Ein Weitergehen ist es, vielleicht. Schritte, die seit damals noch fehlten. Zusammen mit etwas sehr Neuem. Du spürst es …
      Einen ganz herzlichen Gruß zu Dir.

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