Durch ein Jahr hindurch begleitete ich ein Motiv, einen Baum, seine Veränderungen und seine Konstanz mit der Kamera. Dies war ein Beitrag zu Zeilenendes Projekt „12 Monate“. Dieser Baum und unsere Begegnungen erzählen eine ganz eigene Geschichte, welche in diesem Jahr weitergeschrieben worden ist.
Erst mit diesem zwölften Bild fühlt es sich rund an. Aufgenommen vor mehr als einem Monat, fast noch Ende Januar war es also, so wie auch alle anderen Bilder jeweils zum Monatsende entstanden. Eingestellt erst heute, ein Jahr etwa nach dem ersten Bild. Womit sich ein Kreis schließt.
Ein Kreis, den zu gehen ich mir selbst aufgetragen hatte, ein selbsterschaffenes Ritual: zu jedem Monatsende meinen Baum hier abzubilden, immer mit gleichem Fokus, auf dass Veränderungen und die Konstanz in den Veränderungen sichtbar würden.
Hier nun – schaut selbst:
Nun, und jetzt?
Höre ich auf.
Es fiel mir – zugegeben – schwer und schwerer, mich meiner selbstverordneten Regel zu fügen. Die anfängliche Euphorie, dass dieses Ritual mich regelmäßig auf einen Weg bringt, der mir etwas zu schenken weiß, ist verflogen. Statt dessen wuchs in mir das Bedürfnis, mich aus dem Ritual herauszuwinden, seine Starre abzuschütteln.
Zwar, das nehme ich durchaus wahr, hatte ich viele gute Stunden mit meinem Baum, meinem Weg, hat sich mir Monat für Monat etwas eröffnet, bin ich tatsächlich jeweils ein Stück auf mich zu gegangen, so wie es meine persönliche Geschichte dieses Weges ja von vornherein nahelegte. Und doch war es ein Gerüst, ein starres, zwingendes, unbiegsames, einengendes Gerüst.
Ohnehin bewegt sich mein Alltag in viel zu vielen Käfigen, fehlt es ihm in vielerlei Hinsicht an Freiheitsgraden. Wenn ich mir dann noch selbst zusätzliche Starre verordne …
Was für ein Spiegel! De facto beträgt der Fußweg zum Baum kaum zehn Minuten, sind die Bilder schnell gemacht und noch schneller bearbeitet, es gab ja keine Motivsuche, keine Bearbeitungsentscheidungen zu fällen, zeitlich gesehen also war mein Baumweg selbst in engste Zeitraster zu integrieren. Noch dazu zieht es mich im Grunde immer nach draußen. Und doch blockierte ich mehr und mehr.
Ein Anlass mich einzulassen auf Fragen wie:
Wo setze ich mir selbst Beschränkungen, die mir nicht gut tun?
Wo lebe ich starre, einschnürende Regeln, obwohl ich sie aufweichen oder gar von mir nehmen könnte?
Wieso empfinde ich so manche Alltagsbeziehungen als Korsett, obwohl ich tief innen weiß, dass ich allein durch gedankliches Umstülpen wieder Freiheitsgrade gewinne?
Welche Imperative lebe ich, obwohl niemand außer mir selbst sie ausspricht?
Wohin wird es mich führen, wenn ich von Geländern ablasse und frei zu tanzen beginne?
Punkt.
Und Fragezeichen.
Alle meine Baumwandelwege finden sich oben unter Blog/Zwölf Monate.
Andere Beiträge von Zeilenendes 12-Monats-Projekt kann man hier finden.