Herbstradeln

Herbstgereist: Bad Wimpfen – Zuhause

Wenn das Draußen Schnee und Hagel kann, dann kann ich auch Herbst. Ein letztes Mal per Bildreihe an die vergangene Herbstreise erinnern, der letzte Reisetag, von dem ich damals hier geschrieben habe.

 

Wie ich morgens an meinem Hochhaus-Pensionszimmerfenster stehe, in die bald zu durchfahrende Landschaft schaue, fühlt sich die Reise als rundum gut an, und der Abschied als wehmütig.

Bad Wimpfen Zuhause (1)

 

Bad Wimpfen Zuhause (2)

Ein letztes Mal packen und losreisen.

Bad Wimpfen Zuhause (3)

 

Bad Wimpfen Zuhause (4)

Hinein in einen Sommerhitzetag, wie ihn ein November selten erlebt hat.

Bad Wimpfen Zuhause (5)

 

Bad Wimpfen Zuhause (6)

Es sind erstaunlich verwaiste Landschaften, da ganz in der Nähe meines Dorfes schon.

Bad Wimpfen Zuhause (7)

 

Bad Wimpfen Zuhause (8)

Von dieser Richtung aus habe ich mich noch nie angenähert. Lauter fremde Ortsnamen, lauter Entdeckungen – vielleicht sollte ich viel mehr rund um mein Dorf herum reisen.

Auf jeden Fall sollte ich bald wieder Radreisen. Und es immer wieder tun.

 

Herbstgereist: Gaildorf – Bad Wimpfen

Heute ist ein Sonntag, an dem mir herbstlich zumute ist. Ich weiß gar nicht genau, was ich damit meine. Eine in mich versunkene Stimmung, kein Auge für die Sonne vor dem Fenster, ein wenig Schneckenhaus mit ein paar hinausgestreckten Fühlern.
Der damaligen Herbststimmung, von der ich hier mitten aus der Reise erzählt habe, fühle ich mich heute sehr nahe.

 

Gaildorf Bad Wimpfen (1)

Wie ich im Morgengrauen losfahre, mich in den nieseligen Nebel hineinbegebe, der dem Tag lange keine Helligkeit gestatten möchte, und versuche, die Sprache der Trübheit zu lesen.

Gaildorf Bad Wimpfen (2)

Als ich den Ort mit seinen beleuchteten Straßen und ein paar wenigen, ebenfalls um halb sieben schon umherirrenden Gestalten verlasse, wird es mir schwer. Unheimlich ist es dort auf den verlassenen, düsteren Wegen, es wirft mich in eine beklommene Stimmung. Schnell durch, mein einziger Impuls.

Gaildorf Bad Wimpfen (3)

Erleichtert bin ich erst, als von der Anhöhe aus alles ein wenig heller scheint, als die Ferne wieder sichtbar wird …

Gaildorf Bad Wimpfen (4)

… und als ein Wolkenloch ein Stück farbigen Himmel eröffnet.
Dennoch, es sind schwere Kilometer bis Schwäbisch Hall, nicht nur wegen des ständigen Auf-und-Abs.

Gaildorf Bad Wimpfen (5)

Ein erster Blick, ich bin noch gar nicht richtig in der Stadt, fällt auf meine Fortbildungsburg – dort oben war ich oft. Nicht der schlechteste Ort für dienstliches Sein:)

Gaildorf Bad Wimpfen (6)

Der Weg in die Stadt führt über eine der typischen Holzbrücken.

Gaildorf Bad Wimpfen (7)

Und dann stehe ich mitten am Fluss, am anderen Ufer, getrennt von den Gassen, in denen wir abends so oft gingen, oder mittags, wenn wir mangels Stau viel zu früh da waren …

Gaildorf Bad Wimpfen (8)

… und durch die wir mit der Tochter unsere Räder schoben, damals auf ihrer ersten Zweitagestour. Hier war sie noch ganz aufgeregt, wie das wohl werden würde, zwei Tage lang auf dem Fahrrad.

Gaildorf Bad Wimpfen (9)

Unsere komplette Strecke von damals und noch ein wenig mehr werde ich heute am Stück fahren. Überall werden die Erinnerungen stecken, überall wird mich die Tochter begleiten. Hier zum Beispiel, an dieser Autobahnbrücke, da hatte sie ihren ersten Durchhänger. Also haben wir uns selbst ein Eis versprochen, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit. Die ließ dann natürlich auf sich warten.

Gaildorf Bad Wimpfen (10)

Hier kämpfte sie im ständigen Auf-und-ab des Radweges mit ihrem neuen gerade noch ein Stück zu großen 24er-Fahrrad. Ich war beeindruckt wegen ihrer Ausdauer, ihrer Beharrlichkeit, wirklich nicht abzusteigen, ihrer Kraft.

Gaildorf Bad Wimpfen (11)

Und hier in Künzelsau war verdiente Pommes-Pause, damals. Ich erinnere mich so gern an das Unterwegssein mit ihr …

Gaildorf Bad Wimpfen (12)

… und an unser Lachen, als wir hier an dieser jetzt herbstlich verwaisten Imbissecke saßen und uns die Sonne auf die Nasen schienen ließen. Fast zwei Jahre ist das her.

Gaildorf Bad Wimpfen (13)

Erstaunlich, wie unterschiedlich sich mir die Blicke am Wegesrand eingeprägt haben. Diese hier sind überhaupt nirgends in mir festgehalten.

Gaildorf Bad Wimpfen (14)

Möglicherweise waren die Hänge damals ja unauffällig. Klar, weit weniger farbig waren sie auf jeden Fall.

Gaildorf Bad Wimpfen (15)

Hier erst wieder, in Forchtenberg, spult in mir der Erinnerungsfilm weiter. Hier haben wir damals übernachtet.

Gaildorf Bad Wimpfen (16)

Und jetzt rase ich einfach so durch. Es wird heller, die Wolken bekommen Struktur.

Gaildorf Bad Wimpfen (17)

Und lichten sich, als es fast schon abends ist.

Gaildorf Bad Wimpfen (18)

Wohltuend, von der Sonne geblendet zu werden, bin ich doch fast den ganzen Tag im Nieselregen gefahren.

Gaildorf Bad Wimpfen (19)

Die anderen Tage waren so hell, dass ich dies überhaupt nicht wahrzunehmen vermochte – so ist es ja oft im Leben mit dem (scheinbar) Selbstverständlichen. Erst wenn es nicht mehr da ist, wird es uns bewusst.

Gaildorf Bad Wimpfen (20)

So wie mir heute das Licht, in dem ich gar nicht oft genug staunend stehenbleiben kann.

Gaildorf Bad Wimpfen (21)

Auch im Gegenlicht, auf dem fast schon letzten Wegabschnitt kurz vor Bad Wimpfen.

Gaildorf Bad Wimpfen (22)

Der Neckar. Er geht schon schlafen.

Gaildorf Bad Wimpfen (23)

Und Bad Wimpfen. Irgendwo da oben zwischen den Türmen wartet ein Zimmerchen auf mich.

 

Herbstgereist: Nördlingen – Gaildorf

Na bitte, es ging doch. Es fühlte sich noch nicht mal sooo seltsam an mit den Herbstfotos in der Frühlingszeit. Genaugenommen katapultiert es mich weniger aus der Gegenwart heraus als mir das etwa beim Korrigieren geschieht, oder bei manchen Arbeiten, mit denen meine Tage gefüllt sind. Hier, bei diesen Reisebildern, bin ich mehr denn je in meiner eigenen Erinnerung, bei mir selbst unterwegs. Diese Fotos schenken mir Luftholmomente, unabhängig von der Blattfärbung.

Mache ich mal gleich weiter, mit dem nächsten Reisetag, von dem ich hier erzählt habe.

 

Noerdlingen Gaildorf (1)

Weil ich Nördlingen abends erst im Fastdunkel erreicht hatte, bin ich nun umso erstaunter, was sich mir im mystischen Morgenlicht zeigt. Man kann zu frühester Stunde – bin ich doch als erste aus der Herberge aufgebrochen – durch fast menschenleere Gassen schlendern.

Noerdlingen Gaildorf (2)

Nur bauzaun-, baustellen- oder lieferwagenfreie Fotos, die sind nicht zu haben. Irgendwas scheint immer zu reparieren zu sein.

Noerdlingen Gaildorf (3)

Außer wenn man den Blick nach oben richtet: dort ist Bauruhe.

Noerdlingen Gaildorf (4)

Abfahrt. Immer noch morgenstimmig.
Diese tafelartigen Berge, hier noch in der Ferne, werden mich die erste Tageshälfte hindurch begleiten. Und mein Versuch, sie zu umfahren. Bin ich doch ein Bergauf-Muffel.

Noerdlingen Gaildorf (5)

Entweder aber bin ich in der Morgenfaszination gefangen und damit unaufmerksam, oder den von mir geplanten (flachen) Weg gibt es tatsächlich nicht, jedenfalls schraube ich mich schon bald hinauf …

Noerdlingen Gaildorf (6)

… für solche Blicke, immerhin …

Noerdlingen Gaildorf (7)

… um drüben wieder hinunterzurollen.
„Drüben“ heißt leider immer noch diesseits der Wasserscheide, die ich heute queren sollte. Dass ich ein paar Höhenmeter vor mir habe, ist nicht zu vermeiden.

Noerdlingen Gaildorf (8)

So heißen die Wege unterhalb der Wasserscheide, zu Beginn einer langen stetigen Bergauffahrt …

Noerdlingen Gaildorf (9)

… bis zu einer letztlich unspektakulären Anhöhe. Die Europäische Wasserscheide also. Nicht wie an der Autobahn von Schildern kommentiert, sondern einfach als flacher Hügel in der Landschaft liegend.

Noerdlingen Gaildorf (10)

Es ist warm genug für eine Schreibpause mitten im kahlen Herbstwald, …

Noerdlingen Gaildorf (11)

… so sieht das dann aus in meinem mobilen Büro.

Noerdlingen Gaildorf (12)

Mit diesem Bild oute ich mich – mal wieder – als geographische Analphabetin. Steht ein Schloss am Wegesrand, und ich habe keine Ahnung welches. Ja, es interessiert mich meist nichtmal, wie es heißt und wo und wer und was man noch alles dazu wissen könnte. Falls ich also einen Namen auf einem Schild oder der Karte gelesen habe: vergessen. Ich atme einfach den Blick ein.

Noerdlingen Gaildorf (13)

Und diesen, diesen auch. Wasser ist ja immer gut. Ein Stausee an der noch  jungen Jagst. Nun bin ich an vertrauten Flüssen, welche ich weiter flussabwärts schon per Kanu befahren habe.

Noerdlingen Gaildorf (14)

Zunächst nochmals vom Fluss weg, hinüber zum Kocher, habe ich entschieden, der Weg nach Hause ist dort entlang kürzer. (Und der Schulbeginn leider so nahe.) Der Himmel ist inzwischen im feinsten Blauer-geht-es-kaum-Zustand angekommen.

Noerdlingen Gaildorf (15)

Dieser Stein offenbart mir noch mehr geographisches Nichtwissen: Welche Seite war römisch, welche germanisch? Und wie kommt der Limes von hier an den Rhein, wo er doch viel weiter nördlich verläuft?

Noerdlingen Gaildorf (16)

Wieder unten, am noch winzigkleinen Kocher …

Noerdlingen Gaildorf (17)

… gibt es Auflösung wenigstens der ersten Frage. Ist ja irgendwie logisch, ich fahre nach Norden, also …

Noerdlingen Gaildorf (18)

… geht es nach Germanien hinein.

Noerdlingen Gaildorf (19)

Dort laufen übrigens Vögel Sträuße herum, einfach so am Radwegesrand. das begegnet einem ja selten.

Noerdlingen Gaildorf (20)

Der Rest des Weges ist Erholflussradweg vom Feinsten. Hätte ich ihn an allen Ecken fotografisch festgehalten, hätte es über 30 km im Prinzip so ausgesehen. Ich fliege entlang. Gut das.

Noerdlingen Gaildorf (21)

Und ich schaffe es, bei Einbruch der Dämmerung ein Zimmerchen zu finden. Leicht unwirtlich von außen, aber Lesebett und Kneipe bieten alles, was ich zum Abend brauche.

 

Herbstgereist: Augsburg – Nördlingen

Soll ich das wagen: Mitten in den Frühlingsaufbruch hinein Herbstbilder stellen? Meine Herbstradreisebilder? Es sind ja Bilder aus einer ganz anderen Übergangszeit als der derzeitigen. Und doch sind sie mir – heute, und überhaupt in diesen Tagen – wieder merkwürdig nah. Weil ich im Kopf gerade schon die Radfahrten des Jahres bereitlege? Oder eher, weil ich in mir eine stille Zeit spüre, so wie auch der Herbst eine war? Oder weil ich mich in diesen Tagen ebenso auf eine innere Suche begebe wie oft beim Radunterwegssein?

Jedenfalls: Ich trau mich mal.
Hier schrieb ich übrigens damals live über meinen zweiten Reisetag.

Und jetzt gehe ich erinnernd durch meine Bilder.

Augsburg Nördlingen (1)

Wie ich noch ganz in den Gesprächen der Nacht versunken, den Ausgang aus der morgenstillen Stadt suche, immer am Lech entlang, der hier kanalgerade die Landschaft durchschneidet, mich irgendwann doch auf seine andere (einsamere) Seite queren lässt …

Augsburg Nördlingen (2)

… und dann für lange Zeit von einem solchen Weg begleitet wird.

Augsburg Nördlingen (3)

Und von einem solchen Wasserspiegelschein.

Augsburg Nördlingen (5)

Irgendwann muss ich den Fluss leider verlassen, es wird hügelig und straßennah.

Augsburg Nördlingen (4)

Der Weg ist von kleineren oder größeren Wallfahrtsstätten gesäumt und die ganze Zeit menschenleer.

Augsburg Nördlingen (6)

Sowie verpflegungsstättenleer – das Thema kennt man ja von Radreisen.

Augsburg Nördlingen (7)

Irgendwo, ich erwarte schon nichts mehr, der Ort heißt Holzen, steht ein Kloster am Wegesrand.

Augsburg Nördlingen (8)

Mit einer Gaststube, Riesentortenstücken, viel Sonne, einer Walkerin mit Musik im Ohr und …

Augsburg Nördlingen (9)

… (ich fliehe, weil mir das nach außen dringende BumBum zu laut ist) einem solchen Garten.

Augsburg Nördlingen (10)

Fast schon unheimlich ist die Einsamkeit oben auf den Hügeln, ich bin froh, unten an der Donau in ein wenig mehr Zivilisation einzutauchen. Wenn auch der Ort – Donauwörth – mich nicht zum Anhalten verlocken kann.

Augsburg Nördlingen (11)

Das Wasser, das schon eher.

Augsburg Nördlingen (12)

Und die Bänke da oben, nun schon auf der anderen Flussseite, die erst recht. Es ist unglaublich warm, ein solcher November war noch nie, soweit ich mich erinnere.

Augsburg Nördlingen (14)

Der Weg führt ein Flüsschen namens Wörnitz hinauf …

Augsburg Nördlingen (15)

… an spektakulärer Abgrundnähe vorbei …

Augsburg Nördlingen (16)

… und lässt immer wieder Lichtspiele tanzen.

Augsburg Nördlingen (17)

Damit man aber nicht zu sehr in bukolischer Idylle versinkt, kann er auch Radwegebaustellen.

Augsburg Nördlingen (18)

Hier die bei Schloss Harburg, welches man dank Umleitung also aus nächster Nähe und ungeplanter Höhe betrachten kann.

Augsburg Nördlingen (19)

Nun ja, es ist sportlich. Von oben aber schaut es sich ohnehin besser in die Weite.

Augsburg Nördlingen (20)

Ja, an das Hach, das mich dort oben überkam, erinnere ich mich nur zu gut. Und daran, wie intensiv dieser Tag war. Ich wollte ihn am Ende, ein paar Kilometer vor der Einfahrt nach Nördlingen, gar nicht mehr loslassen und stand ewig versunken in dieser Landschaft. (Ja, ich stand. Es gibt keine Bänke. Und der Boden war dann doch kalt. Ebenso wie der Moment, als plötzlich – gegen halb fünf – die Sonne hinterm Berg verschwand und ich daran erinnert wurde, dass wir fast Winter haben.)

Ein Hach-Tag. Das vermögen die Bilder wohl gar nicht so recht zu zeigen.

 

Es ist seltsam, sich an eine solch ferne Reise zu erinnern. Und aus der Stille heraus nach Worten zu suchen sowieso …

 

Herbstgereist: München – Augsburg

Wieder einmal hat sich heute bei meiner ewigen Zerrissenheit einer Lehrermutter – zwischen Korrekturen und Haushalt – ein lachendes Drittes gefreut. Statt mich dem einen oder dem anderen, oder aber dem einen und dem anderen zu widmen, versank ich in Urlaubsfotos. Die Pflichten liegen also brach, dafür ist die Seele gewärmt. Wie ich dann morgen etwas schneller arbeiten werde, werde ich morgen sehen. Jetzt ist inneres Beseeltsein. Schaut.

 

Noch steht es auf dem Dach, das Radl. Das Auto dahinter steht zufällig – was man halt so Zufall nennt – da und spricht schonmal Bände. Noch bevor ich gestartet bin.

 

 

Ein Morgenbild vom Aufbruchstag. Grässlichsten Berufsverkehr hatte ich erwartet, ruhiges Stadtauswärtstreideln finde ich. Ein *räusper* No-name-Kanal (ich bin stadtplanlos unterwegs) …

 

 

… mit Blick auf Schloss Nymphenburg.

 

 

Welches radfahrerfreie Zonen bereithält, was von mir – obwohl mittwochsmorgens sicherlich kein einziger Spaziergänger aufgescheucht worden wäre – sehr deutschdiszipliniert beachtet wird. Ich fahre außenherum, bekomme dadurch noch ein paar mehr Münchener Vororte zu Gesicht als geplant und …

 

 

… finde mich irgendwann am Schloss Blutenburg wieder. Doch, das heißt so. Und ist überhaupt kein bisschen grausam. (Ich hatte noch ein idyllisches Foto mit Schlossteich und Entchen, alle lebendig. Doch die Tochter fand dies zu langweilig; daher hat es das Bild nicht in die Endauswahl geschafft.)
Jedenfalls: Großstadt kann entspannt sein, das lerne ich hier gerade.

 

 

So entspannt, dass sogar die Schilder schief stehen. Wirklich. Denn ich habe in der neuen Kamera eine Wasserwaage im Sucher, die hätte mich bei Schräglage angepiept.

 

 

Weil mich Fürstenfeldbruck nicht zum Verweilen einlädt (man verzeihe mir, sollte ich kuschelige Plätze überradelt haben), finde ich mich schon lang vor Mittag bei 40 Kilometern und an einem kleinen Baggersee wieder. Bei Puch, glaube ich. (Ich sollte anfangen, Straßenschilder und Wegweiser zu fotografieren. Schlechtgedächtniskompensierend.)

 

 

Mit meiner Lieblingsfarbkombination des heutigen Tages – blau-orange – …

 

 

… und Wasserspiegeleffekten. (Wo is`n hier Wasser, hä?)

 

 

Das Land, das ruhige, wellige, herbstlichtwarme Land …

 

… mit seinen kleinen Ortschaften …

 

 

… und der Bergkette in der Ferne.
(Nun oute ich mich als geografische Ignorantin: Was sind das für Berge??? Sie lagen auf der Strecke München-Augsburg etwa den ganzen Tag lang links hinten in der Ferne.Das müsste doch schon etwas mit den Alpen zu tun haben?)

 

 

Ich genieße das herbstruhige Dahintreiben. Alles scheint auf dem Weg zum Winterschlaf, wenn nicht schon in ihm angekommen.
Die Kehrseite: der Hunger nagt in mir, und keine Einkehrmöglichkeit kommt des Wegs. Erst kurz vor Augsburg an einem Stausee, dessen Namen ich schon wieder nicht weiß. Ich bin auf Nahrung in fester und flüssiger Form fixiert und kann mich um solche Nebensächlichkeiten jetzt nicht kümmern. Jedenfalls: dieser „Brotzeit-Point“ (oder wie der hieß) bewahrt mich vor einer Hungerohnmacht, ganz sicher.

 

 

Und liegt zudem mit Blick auf einen See, …

 

 

… einen herbstlich ausgestorbenen.

 

 

Wenige Kilometer sind es noch, immer am Lech entlang, bis in die Stadt. Es wird schon düster.

 

 

Erst in Augsburg wagt sich ein Abendlicht hervor.

 

 

Und was für eines!

 

 

(Ich kann diese Farbenbilder nicht lassen.)

 

 

Weil der Freund, bei dem ich übernachten werde, noch ordentlich arbeiten ist, streife ich durch die Stadt, fotografiere schiefe Türme (die nur auf der Kamera so wirken – was bauen die die Plätze rund um die Türme aber auch so eng!) …

 

 

… und setze mich ins Straßencafè zu Heiß- und Kaltgetränken.
(Wir schreiben den 4. November, es ist gegen 17.30. Man benötigt keine Heizstrahler, keine Decke. Nur einen Kalender, in dem man sich diesen Tag notieren sollte.)

Übrigens: Damals schrieb ich hier von diesem Tag.

 

Herbstradeln Tag 5: Bad Wimpfen – Zuhause

Ein paar wenige Restkilometer bleiben. Weniger als ich gern noch fahre würde. Gemessen an den vergangenen Etappen ist es ein Katzensprung. Ich möchte das Ankommen hinauszögern. Sitze stundenlang beim Frühstück, Kaffee schlürfend, lesend, aus dem Fenster sinnierend. Lasse mir beim Packen Zeit. Obwohl heute alles schneller gehen könnte: das Saubere an den Leib, den Rest in die Taschen stopfen, Ordnung nicht mehr erforderlich. Ich trödele trotzdem vor mich hin.
Und stehe noch lange vor dem Gästehaus, weil drinnen ein Orchester probt. Mit Seelenmusik, mich nicht loslassender.

Irgendwann bin ich doch auf dem Weg. Es ist brennend heiß. In Zeiten von Wetterapps hätte ich das ja vorher herausfinden und glauben können. Doch der Kalender – fast Mitte November steht dort – hatte mich abgehalten von allzuviel Sommerlichkeit bei der Kleidungswahl. Ich bereue es umgehend, fahre sehr bald im kurzärmligen T-Shirt und leide unter meiner langen Unterhose. Die sonntagsausflugsgefüllten Wege lassen mich lange ausharren, bis ich ein halbwegs verdecktes Plätzchen finde, um mich ihrer zu entledigen. Von da ab stören nur noch die warmen Schuhe. Ersatzschuhe sind jedoch nicht im Gepäck. Wir schwitzen uns zusammen bis nach Hause.

Ja, nach Hause. Unweigerlich kommt es näher. Eine Richtung, aus der ich mich sonst nie annähere. Noch in Steinwurfnähe meines Dorfes finden sich Ortsnamen, die ich nie bewusst wahrgenommen, Wege, die ich nie betreten habe. Welch Reservoir an Unerlebtem für Tagesausflüge – würden wir denn welche machen:)
Irgendwann erreiche ich den Bereich, in dem es mich arbeitend umhertreibt, und bald auch die Dörfer, in welchen meine Schüler wohnen. Dass ich niemand Bekanntes treffe, erleichtert mich. Ein Schwätzchen am Wegesrand, womöglich mit Schülereltern, hätte mich, noch ganz in Unterwegsstimmung, überfordert. Ich darf in Ruhe ausrollen. Es rollt sich zum Ende hin so schnell, dass ich selbst fast erschrecke, als ich plötzlich vor unserer Garage stehe.

Der Sohn sagt zur Begrüßung kurz hallo, die Tochter ist irgendwo im Dorf unterwegs, die Terrasse trägt Sommerwärme und ich endlich keine Schuhe mehr.
Später am Tag taucht das kleine Kind doch noch auf, schart um sich Freundinnen zum Picknick (die anschließend gleich im Garten Laub rechen:)), murrt der Sohn mich an, ich solle mal nicht solche Hektik machen, türmen sich Wäschemassen vor der Maschine und springen die familiären Vorbereitungen für den morgigen Schulstart im Zickzack. Alles bestens also.

Welch eine gute Entscheidung, die zweite Ferienhälfte radfahrend zu verbringen. Ich fühle mich so erholt wie sonst nur nach wochenlangen Ferien.
Für die morgigen Schulstunden weiß ich nichts mehr. NICHTS. Gerade noch, wie ich meinen Namen buchstabiere und wie das Fach heißt, das ich unterrichten soll. Steht da aber in meinen Aufzeichnungen „Bemerkungen zum Test“, muss ich passen. Welcher Test? Was wollte ich dazu sagen? Was gibt es überhaupt zu sagen? Was kann schon wichtig gewesen sein bei einem solchen Miniphysiktest? Über das Leben, über die Sonne, die Wege, das Atmen und das Sein sollten wir sprechen. Und dann werden wir rudernd auch irgendwie in die Physik hineinfinden.

Ein wenig über 400 Kilometer waren es, dabei 2000 Höhenmeter. Zeitfenster zum Unterwegssein (im Dunklen fahre ich nicht gern) von 7 bis 17 Uhr. Temperaturen von 2 bis 25 Grad. Regen: quasi keiner. Oder doch: 8 Stunden lang Nieseln ist in der Summe doch schon wie ein ausgewachsener Regenguss.
Überquerte Flüsse und Flüsschen: 9 (hier mag ich vielleicht kleine Rinnsale übersehen haben). Begegnete Packtaschenradler: 0. Am Wegesrand gesehene Straußenvögel: 1. Tassen Kaffee und Stücke Kuchen: nicht gezählt (und ob ich das dann verrraten hätte:)). Bilder im Fotoordner: 588, noch unsortiert.
Nicht benötigte Dinge aus den Packtaschen: der warme Rolli, das dritte Fleece, die Ersatzhose, die richtig warme lange Unterwäsche, die umfangreiche SchalMützeHandschuhe-Ausstattung, das Regenzeug, das Erste-Hilfe-Set, die Ersatzakkus fürs Navi, der Nottraubenzucker, der Fahrradreparaturkrempel, die Luftpumpe, die Ersatzbrille. Und das Zweitbuch auf dem E-Book-Reader.
Eine gute Reise.

Herbstradeln Tag 4: Gaildorf – Bad Wimpfen

Bis auf die ersten Morgenkilometer – die fast noch dunkle, jedenfalls nebeldiesige Auf-und-Ab-Strecke nach Schwäbisch Hall – ist mir mein Weg heute nicht neu. Und das, ich bin selbst erstaunt, ändert alles. Mein Sehen, mein Lauschen, mein Betrachten, mein Erwarten. Dass ich nicht zum ersten Mal hier entlang fahre, lässt mich sofot ins Damals rutschen, es nimmt mir mein Erleben. Jedenfalls einen Teil davon.

Damals, vor anderthalb Jahren war es, probierte sich die Tochter auf einer ersten Übernachtungsradtour. Wir wollten für den Sommer wissen, ob sie diese Reiseart möchte, und wieviel sie fahren kann. Unsere beiden Tagesetappen und noch ein bisschen mehr fahre ich heute in einem Rutsch.
Ich durchlebe die ganze Strecke immer mit Blick auf das Damals, merke ich. Erinnere mich, hole Emotionen wieder hervor, gleiche ab. Und bin irritiert, wenn es streckenweise keine Erinnerung gibt. Denn seltsam, die Linie als Ganze ist mir entfallen. Pünktchen flammen auf, oder ausgewachsene Punkte, aber kein Ganzes.
Dort hinter jener Ecke kommt gleich … hier haben wir gehalten … hier gegessen … dort gesessen … hier war sie wütend … dort kraftlos … hier lachten wir … hier mussten wir uns vor Hitze die T-Shirts ausziehen … hier lag ein Geocache … und dort noch einer, den wir nicht fanden … hier fotografierten wir … dort schnauzte uns der Mann an … hier sahen wir den Segelfliegern zu … dort den Schützen … hier gab es ein Eis … und dort nicht.
Punkt um Punkt ersteht vor meinem inneren Auge. Dazwischen sind Lücken. Blicke, die ich noch nie gesehen habe. Oder die ich einer anderen Reise zugeordnet hätte.

Wie kommt das? Was fädelt sich als bleibende Erinnerung ein, was nicht? Wieso sind es keine Linien, nur unterbrochene Muster, die in mir bleiben?
Und wieso versperrt mir das Altdaseiende ein Neubetrachten? Dies ist meine wichtigste Frage. Wieso hatte der Weg heute keine Chance, mir zu einem neuen zu werden?
Wie kann, wie könnte ich denn mit Erinnerungen umgehen, dass daraus etwas Neues erwächst? So dass das Alte nicht perpetuiert, sondern zu einem fruchtbaren Boden für neues Keimen wird? So dass ich nicht in Wehmut und Bedauern rückwärtsgewandt lebe und mir das Hinterhertrauern zum Leitmotiv wähle?
Hier bin ich an einer für mich wesentlichen Frage angekommen. (Bei der es um so viel mehr als Radfahren geht.)

Die Antworten darauf werde ich nicht heute finden, nicht jetzt. Zumal sowieso Zeit ist, mich wieder auf den Weg zu machen. Denn was ich bei allem Erinnern auch spürte: Ich vermisse sie, die Tochter. Und den Sohn. Es zieht mich nach Hause.
Jetzt.
Letzte Etappe.

Herbstradeln Tag 3: Nördlingen – Gaildorf

Heute schwimme ich mich frei. Nein, kein Vorsatz, sondern Erleben.

Obwohl heute morgen die zeitliche Nähe des Bald-wieder-Alltags in meinen Kopf rückt, fast in Stunden schon ist sie zu messen, kann ich mich von ihr lösen.
Dieser sogenannte Alltag betrifft mich nicht in meinem Heute, bedrängt und bedrückt mich nicht. Er ist einfach nur da, als Wissen darum, wie es bald wieder sein wird.
So wie dieser hiesige, radelnde Tag da ist. Kein Konkurrieren, kein Wettlaufen, kein Bewerten dieser beiden so verschiedenen Zeiten. Friedliche Durchdrungenheit, eine Symbiose der beiden Pole. Einatmen und Ausatmen.

In solche ungestörte Gelassenheit auch in kurzen Ferien zu finden, und nicht schon mit rasend-hektischer Nervosität das Ferienende zu antizipieren, wo sie noch kaum begonnen haben, dazu habe ich eine lange Lehrzeit gebraucht.
Im Moment ist – so scheint es – Erntezeit. Von den Bäumen zu pflücken: stille, ruhige, unaufgeregte, friedliche Freude. Möglicherweise habe ich diese nicht mal gesät, wer weiß das schon.

Ich fahre also – und sammle von den Feldern, was sie darbieten. Für den kommenden Winter. Irgendwann kommt immer ein Winter. Manchmal auch im Sommer, manchmal morgen schon, manchmal in der nächsten Sekunde. Ich sammle also. Wie Frederik.

Heute ernte ich …

… Morgennebel auf den eigenwillig geformten Tafelbergen der Schwäbischen Alb,

… das Erleben einer Kraft, die sich nicht unwillig gegen die Anstiege stellt, sondern sie Schritt für Schritt einfach hinaufsteigt,

… Lichtblicke in und durch allfarbene Baumkronen,

… das Lächeln der Frau, die mir an der Kreuzung Vortritt ließ, und das von jenen Menschen im Café,

… meine Wiederbegegnung mit Jagst und Kocher, in noch ganz kleindkindartiger Größe,

… ein besonderes Gefühl, als ich die Wasserscheide überquere – auch wenn es dort oben sehr unspektakulär ausschaut,

… die Vertrautheit der Sprache, der schwäbischen – es fließen Erinnerungen an meine Zeit in Tübingen (natürlich, Ortsansässige werden umgehend erklären, dass die hiesige und die dortige Sprache SO unterschiedlich sind…),

… den Stausee, mit allem, was Wasser mit einem macht, wenn man nur lange genug seinen Blick darin verliert,

… die Überquerung des Buckels zwischen Jagst und Kocher, auf dem es sich alpenländisch anfühlt, so wohlig,

… die Rast am blätterbedeckten Waldtisch, inmitten einer raschelnden Idylle, und einem Blätterregensegen mit jedem Windstoß,

… den so glatt ausgebauten Jagst-Kocher-Radweg, der zum Ende des Tages derart ungeahntes Tempo zulässt, dass zeitlich sogar noch eine Kaffeepause drin ist, ohne dass ich anschließend in die Dunkelheit fahren muss.

Am Ende des Tages findet sich – trotz geschlossener Jugendherberge – ein Zimmerchen am Wegesrand, mitten in der Pampa. So habe ich keine Veranlassung, nochmals hinauszugehen und irgendwelche Straßen und Orte zu durchstreifen. Ich bleibe einfach nur im Zimmerchen und lese stundenlang – lediglich unterbrochen durch Abendessen und -trinken, natürlich.
Ein Tag voller Geschenke.

Herbstradeln Tag 2: Augsburg – Nördlingen

Wenn man sich 4 Jahre nicht gesehen, nichts voneinander gehört hat, und wenn in dieser Zeit die heftigsten Dinge passiert sind und noch am Passieren sind, dann wird das ein intensiver Gesprächsabend.
Und der weht im Kopf nach. Nachts noch, und am folgenden Tag. So fahre ich, den Kopf voller Gedanken an das alles, was unser Leben ausmacht (was nicht übertrieben gesagt ist, sprachen wir doch über nichts belangloseres als das).

Der Herbst im Ringsum passt dazu.
Blätter, die am Baum noch hängen, wie zufällig, aber ihren Weg zum Boden doch schon vorgezeichnet finden.
Die in Zeiten ihres Vergehens der Welt die schönsten Farben schenken.
Knospen unter allem Verblühenden.
Die Spuren, die wir beim Fahren im Blättermeer hinterlassen. Und das Geräusch, was durch die hinter uns aufgewirbelten Blätter entsteht – immer denkt man, jemand folge einem. Vielleicht ist das ja auch so.
Spinnweben, die so fein alles, was sich in den Weg legt, benetzen. So filigran, so zart, als wollten sie uns behüten.
Dunst und Nebel, am Morgen noch, am Abend wieder, und in der Ferne immer. Nicht zu wissen, was hinter den Stufen kommt, und doch zu ahnen, wie sich all die Schichten entblättern werden.
Das Auf und Ab in den Stufen, manchmal kaum spürbar, und doch sich aufsummierend. Immer. Es nicht wahrhaben wollen? Das kann nicht der Weg sein.
Meine eigene Müdigkeit, das Gefühl sitzenbleiben zu wollen, nicht nur auf dem Sattel, und dann sind da doch keine Bänke, also fährt es sich weiter.
Weiße Wallfahrtsorte, in grellweiß vor blauem Himmel drapiert, unwirklich, unwirksam. Meine Kapelle trage ich in mir. Oder nirgends sonst.
Der große Fluss – die Donau quere ich – ist ungeahnt klein und zart, unscheinbar, von schön blau nicht die Spur, so darf das sein mit großen Flüssen. Und eigentlich sind es ja die kleinen Rinnsale, die unseren Wegesrand säumen und begleiten.
Das Dunkel, welches aus blendendem Licht unmittelbar einbricht. Ja, einbricht. Froh, in diesem Moment gerade den Stadtrand erreicht zu haben.

Viel mehr gibt es über den Tag nicht zu erzählen. Er fand im Innern statt, durchstrahlt und gewärmt vom wundersamsten Novemberlicht. Aber auch das ist ja etwas sehr Inneres. Die Wärme des Herbstes empfinden können.

Herbstradeln Tag 1: München – Augsburg

Es ist ungewohnt. Nach der langen Sommertour, in der ich mich treiben ließ, eine endlose Zeit vor mir, nie wissend, wohin mich der Tag bringen wird, ist bei dieser das Ende schon mitgedacht. Wenn ich am Montag wieder in der Schule stehen muss, wenn die Tageshelligkeit zudem gegen 5 Uhr erlischt, die Zeitfenster zum Fahren also beengter sind, dann kann ich nicht anders als stets schon ein Wie-weit-komme-ich-heute und ein Es-sollte-früh-losgehen mitzudenken.
Erstaunlich jedoch, dass es mich nicht einengt. Heute jedenfalls nicht. Vielleicht auch nur, weil ich gegen 8 schon mitten im Münchner Berufsverkehr unterwegs bin, stadtauswärts treidelnd, sofort im Fahrfluss angekommen, und die Zeit bis Augsburg wirklich reichlich bemessen ist.

Da ist Wärme.
Schon morgens. Die Wetterapp zeigt 1 Grad, die gefühlte Temperatur aber lässt mich sofort eine meiner fünf Kleidungsschichten ablegen. Die Stadtdunstglocke vielleicht? Doch draußen wird es nicht kühler, im Gegenteil. Ich lege noch mehr ab, sogar die Handschuhe, werde durch und durch sonnengewärmt, fürchte gar einen Sonnenbrand, gegen den ich nichts mithabe – wer kann so etwas im November ahnen – und spüre im Innern ein Echo dieser äußeren Wärme. Oder ist es andersherum?

Da sind Farben.
Und was für Farben! Was für Licht!
Orange in allen Schattierungen, das strahlendste Sonnenabbild, das man sich vorstellen kann.
Gelbe Baumhorizonte vor blau-weiß gestreiftem Himmel, den ganzen Tag lang.
Schwarze Baumkronen in bizarren Formen, mit einzelnen Lichtflecken geschmückt. Oder kahl schon, wie eine Verzierung das Hintergrundhell schmückend.
Gelbgrüne Birkenhaine vor graudüsteren Wolken. Petersburg-Erinnerungen fluten mich. Ich kann mich nicht entsinnen, eine andere Farbmischung als diese in meinen dortigen Herbsten gesehen zu haben,
(Nur das grelle Gelb und frische Grün des Winterrapses, das will und will sich für mich nicht in das Herbstspektrum einfügen. Ich versuche es zu ignorieren…)

Da ist Stille.
Zunächst mal sind da natürlich Geräusche. Ich selbst. Meine Jacke raschelt. Warum mir das auffällt? Im Sommer trage ich auf der Tour nie eine solche Jacke, bzw. wenn dann regnet es, und es klingt wieder anders. Heute also neues Jackenrascheln. Und die Reifen auf Asphalt. Klingen die nicht auch anders? Trockener, härter irgendwie, scheint es mir. Ob ich mir das einbilde, oder ob das Sirrgeräusch wirklich von der Temperatur abhängt?
Und dann ist da – nicht viel. Krähen krächzen. Viel mehr Vögel höre ich nicht. Ein paar Landmaschinen. Ab und zu Autos, wenn mein Weg nicht abseits führt.
Aber Schützenvereine. In jedem Dorf einer. Alle voll besetzt, es knattert unablässig. (Mir ist das unverständlich. Vielleicht stört es mich deswegen so auf, immer wieder.)
Sonst: nicht viel. Die Welt ist stiller als im Sommer. Ohnehin ist auf den Wegen kaum jemand unterwegs, die Radwege sind meine. Doch auch die Natur ist ruhiger. Oder scheint mir das nur? Ist alles Erleben nicht ein Spiegel des Inneren? So sei es. Dann ist es wohl in mir sehr still derzeit. Gut.

Da sind Orte.
München, die Befürchtungen ärgsten Berufsverkehrs lösen sich in ein Nichts auf, weil weder gehupt noch gedrängelt, sondern einfach ruhig gefahren wird. Nach 17 km, zwei Schlössern, Kanälen und knapp zwei Stunden habe ich die Stadt hinter mir. Und bin kein Milligramm angestrengt.
Weitere größere Orte umfahre ich. So gelingt es mir, mich in ein fast-schon-Brandenburg-Gefühl zu versetzen. Die Einsamkeit, die Abgeschiedenheit. Mit der Kehrseite: keine Einkehrmöglichkeit, man glaubt es kaum, hier mitten in Bayern. Vielleicht ist auch nur mittwochs Ruhetag, jedenfalls auf der Route, die ich wählte.
Kurz vor Augsburg ein Ausflugsstausee, meine Brotzeitrettung. Und bald schon die Stadt. Ich habe noch Zeit, bummele durch die Altstadt, übersehe das Fahrräder-verboten-Schild (wirklich: das ausgefuchste System – da wo Straßenbahnschienen sind, darf man fahren, und nur dort – erschließt sich dem Auswärtigen nicht) und überrede die Ordnungshüter erfolgreich, dass es wirklich nicht erkennbar war: ¨Wir verwarnen Sie hiermit mündlich. Wenn Sie uns versprechen, dass Sie jetzt nicht mehr fahren werden.¨ Nichts leichter als das:)

Und jetzt bin ich da, Augsburg. Der Freund, bei dem ich übernachten werde, arbeitet noch. Ich sitze in einem Straßencafé, tippend, Kaffee trinkend (das gesparte Strafgeld auf den Kopf hauend;-)), Stadtleben um mich.

Gleich beginnt ein Abend voller Gespräche, voll Begegnung.