Elternsprechtag

Sie schauen gespannt in unsere Gesichter, was wir wohl zu berichten wüssten.
Sie fragen ängstlich nach.
Sie hören mit zweifelndem Blick zu.
Sie berichten atemlos von den letzten Fortschritten.
Sie strahlen mit jeder Faser Misstrauen aus.
Sie freuen sich selig, wenn wir eine Entwicklung wahrnehmen.
Sie empören sich, wenn wir unsere Einschätzung offen äußern.
Sie tasten sich vorsichtig an den wunden Punkt heran.
Sie verschließen die Augen und wollen das alles gar nicht wissen.
Sie platzen vor Stolz.
Sie verteidigen alles, was geschah, mit jeder Pore und stellen sich wie eine Löwenmutter vor ihr Junges.
Sie lächeln leise, wenn ich nicht verbergen kann, wie mich ihr Kind anrührt.
Sie empören sich über diese und jene Regel und deren Unangemessenheit.
Sie nehmen ihr Kind in Schutz, bedingungslos.
Sie bedanken sich dafür, wie ich auf ihr Kind schaue.
Sie erklären mir, wie ich meine Arbeit zu tun hätte.
Sie fragen, wie sich mich unterstützen könnten.
Sie wissen natürlich besser, was gut für ihr Kind ist.
Sie werden rot, wenn ich aus dem Landheim und von den Flirtfähigkeiten ihrer jungen Tochter erzähle.
Sie beschimpfen mich.
Sie wiederholen mantraartig, wie fleißig ihr Kind zu Hause sei, und dass sie das mit den Noten überhaupt nicht verstehen könnten.
Sie schmunzeln mit mir zusammen über die letzten Schelmereien ihres Sohnes.
Sie greifen mich an, weil ich dies und jenes sagte oder tat oder entschied.
Sie können kaum glauben, dass ihr Kind solche Großartigkeiten vor meinen und den Augen der Klasse vollbringen konnte.
Sie verstehen die Noten nicht, ich könne ihr Kind nicht leiden.
Sie staunen darüber, was ich alles bemerkt habe.
Sie wollen und wollen es nicht wissen.
Sie wollen alles und mehr wissen.
Sie hören meiner Sorge zu.
Sie wehren meine Sorge ab.
Sie kämpfen gegen mich.
Sie teilen mit mir die Frage „Wie können wir dem Kind helfen?“

Und alles sind Zeichen der tiefen, behütenden, fürsorglichen Liebe von Eltern zu ihren einzigartigen Kindern.

7 Kommentare

    1. Dichtest. Früher – jung und unerfahren:) – habe ich immer gekämpft. Mich verteidigt. Harmonie gewollt. Da war es unerträglich. Inzwischen finde ich es gut und richtig und produktiv, so wie es ist.
      Ja, besser ist es, bin nicht richtig krank geworden, nur ein bisschen Husten und Nase, aber kein Schlappgefühl dabei.
      Und Ferien sind in zwei Wochen. Bis dahin noch …. neee, das will ich mir am Samstag gar nicht alles aufzählen:)

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    1. Stimmt, ich schrieb „Fürsorge“ und „sortierte“ dabei nicht, dass ich selbst manches gar nicht so bezeichnen würde, täte ich es selbst.
      Allerdings finde ich es auch schwierig von außen zu bewerten. Weißt Du, ganz viele Eltern haben ein sehr starres, düsteres Bild von Schule. Man kennt sich ja aus, man war schließlich selbst mal in einer. Das wird dann auf das Heutige, auf „uns“ projiziert, und dann geraten wir noch ohne dass wir etwas getan haben zum Feindbild. Es ist fast schon instinktiv, jedenfalls nicht sehr reflektiert. Allerdings: Ich möchte es nicht (mehr) von außen bewerten, wenn Eltern instinktiv versuchen, das (vermeintlich) Beste für ihr Kind zu tun. Natürlich wäre Kooperation für alle Seiten besser. Aber über manche Schatten kann man nicht springen. Wie ich auch von mir weiß … auch in Bezug auf meine Kinder, und bei so vielem mehr …
      Jedenfalls: Je älter ich werde, desto besser verstehe ich „die“ Eltern. Auch die uns angreifenden.
      Mein eigenes Schulmuttersein, „wir“ sind ja inzwischen in der 9. Klasse angekommen, hilft dabei übrigens ungemein. Ich entdecke solche Instinkte in mir ja auch, habe auch meine eigenen Kindheitserfahrungen, die sich manchmal dem vernünftigen Agieren in den Weg stellen wollen.
      Immer wieder ist alles mit allem verbunden.
      Einen Herzensgruß zu Dir, von Frau Rebis

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      1. Liebe Frau Rebis, ja, das ist wahr, ich hatte auch so meine Vorurteile gegenüber den LehrerInnen, blieb aber offen, damit ich die einen von den anderen unterscheiden lernte-
        ich mag es ja immer wieder, wie du dich all den Herausforderungen stellst, dein Blick von der Mutter zu der Lehrerin in dir hin und herwandern lässt, ich spüre sehr viel Weite bei dir!
        Liebe Grüsse
        Ulli

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    1. Oh, nein, ich weiß nicht. Aber auf jeden Fall: Man wird reifer mit den Jahren. Das was mir am Anfang im Referendariat undurchsichtig war, dieses Tolle an älteren Lehrerinnen. Und nun werde ich auch allmählich zu einer älteren:)

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