#bergundtal-2 – Freilaufen

Sie startete und endete an der eigenen Haustüre, führte in einer großen Schleife durch Flusstäler und über Höhenzüge hinweg, durch einige warme Begegnungen hindurch und vor allem letztlich in innere Ruhe hinein – meine Pfingstradreise. Erzählt habe ich von unterwegs diesmal nichts. Aber einige Bilder mitgebracht.
(Und jetzt, da ich hier schreibe, haben schon die nächsten Ferien begonnen. Die Zeit dazwischen war voll, zu voll, um in Ruhe erzählen zu können.)

Jede Reise hat diesen Anfangspunkt, an dem man spürt: Jetzt bin ich da. Jetzt bin ich hier im Unterwegs angekommen. Diesmal kommt er spät, am x-ten Tag, nach schon etlichen Kilometern, erst hier auf diesem Platz, auf dem ich ganz allein übernachte, in einer durchregneten Nacht, in der ich mich ein wenig fürchte, und nach der ich morgens in der Sonne sitze – plötzlich ist da Sonne! – und Zelt sowie Tränen trockne.

 

 

Von da ab bleibt es hell und grün und leuchtend und blühend, als hätte sich ein Schalter in mir umgelegt.

 

 

 

 

Ich fahre neckaraufwärts, der Fluss wird enger, seine Landschaften intimer, irgendwann verlasse ich sie ganz, weil der Weg über die Hügel geführt wird. Oben ist ein Gegenwind, und was für einer. Es geht bei allem Krafteinsatz kaum voran.
Doch wie ich da auf meiner Picknickbank sitze, vor mir der weite Himmel, auf meiner Haut der Wind, da ist auf einmal alles genau richtig. Auch die Langsamkeit. Diejenige, die dafür gesorgt hat, dass die letzten Tage so beschwerlich waren, und jene, welche heute durch den Wind verursacht wird. Manchmal erfährt die Schnelllebigkeit eine Zäsur, weil das Leben seine Zeit braucht. So wie heute die einzelnen Kilometer …

 

 

Als ich nach einigen Stunden zum Neckar zurückkehre, ist er zum Baby geworden, sozusagen. Der breite Strom von vor wenigen Tagen ist kaum noch ein Rinnsal.

 

 

 

Ich spiegele mich in ihm, und sehe bis auf den Grund. Bis ich seine Quelle erreiche. Mit einer Steinmauer hat man dieses Entspringen zu fassen versucht. Lässt sich Entspringen überhaupt fassen?
Und warum wohl ist direkt daneben dem Lesen ein Denkmal gesetzt?  (Schaut die Gestalt links im Schatten.)

 

 

 

Es ist später Nachmittag, doch ich fühle mich noch nicht angekommen. Vor mir liegt die Europäische Wasserscheide, nur ein paar Höhenmeter noch. Hier mitten auf dem Feld muss sie sein, ganz ohne Beschilderung kommt sie aus, es ist einfach der Punkt, ab dem ich wieder abwärts fahre.

 

 

Ich rolle und rolle …

 

 

… hinunter bis nach Donaueschingen, wo die nächste Flussquelle wartet. Kaum 30 Kilometer sind es zwischen den beiden Flussquellen, die so verschiedene Wege gehen werden.

 

 

Die Fassung dieses Entspringens ist noch ärger, noch künstlicher. Eine Parkanlage, eine Treppe hinunter, ein Rondell, Steinskulpturen und -inschriften, und dazwischen etwas, das nun also Ursprung des Stroms genannt wird, der bis ans Schwarze Meer führen wird.

 

 

 

Wenige Meter von dort überquere ich verwundert eine fast schon schiffbare Donau – das kann doch nicht sein? – und erfahre bei der Gelegenheit, dass die Donau sich ihr Sein sozusagen erschummelt hat. „Brisach und Breg bringen die Donau zuweg.“ Aha, die Donau liefert nur den Namen für das Wasser, welches diese beiden Flüsse von weit her herangespült haben …

 

 

Ich übernachte in der Nähe auf einem eiskalten Zeltplatz – nein, der Ort kann nichts dafür:) – und entscheide am nächsten Morgen, weil ich noch so viel Zeit bis zu meinen Verabredungen habe, zunächst ein paar Dutzend Kilometer donauabwärts zu fahren. Ich weiß schon, dieser Radweg wird später zur Radlerautobahn, unerträglich voll. Und doch verlockt es mich: Immer weiter zu fahren, bis zum Schwarzen Meer …

 

 

 

Heute aber biege ich nach 30 km ab, gen Süden an den Rhein. Wieder überquere ich die Wasserscheide, wieder trete ich nach oben. Es strengt mich an, ich versuche mich in einem meditativ-gelassenem Immer-weiter, ohne den Kopf allzu sehr einzuschalten.

Bis sich mir – über die Kuppe gekommen – plötzlich dieser Anblick eröffnet. Die Alpenbergkette von einem Ende des Horizonts bis zum anderen. Ein Anblick, bei dem ich den Mund kaum wieder schließen kann. Selten habe ich so ergriffen innegehalten. Es ist auch jetzt, wenn ich die Bilder (die das Ganze nicht ansatzweise wiedergeben können) betrachte, immer noch nicht zu fassen.

 

 

 

 

Hier oben hätte die Reise enden können. Alles wäre gut gewesen.

Statt dessen aber folgt – so ist das eben – auf den Moment der Entrückung das Weitergehen. Hinab in eine wiederum kalte Zeltnacht, immer mehr nach Süden über Hügel und durch Täler, durch verlassene Dörfer, die einem nur begegnen, wenn man sich seine Route nach Bauchgefühl und dem Wetterfähnchen wählt.

 

 

 

… bis hin zum ersten Schweizerischen Grenzübergang. Ich werde heute noch ein paar Mal hin und her wechseln.

 

 

Unten am Rhein, in Schaffhausen, will ich nur schnell weiter. Das Große und Laute der Stadt schreckt mich, da ich gerade aus verlassensten Ortschaften komme, und den Rheinfall habe ich mehrere Male gesehen, zuletzt auf der ersten Sohnesradtour.

 

 

Ich werfe also einen kurzen Blick aufs Wasser …

 

 

… und entscheide mich dann – statt des Flussradweges – für einen Weg im Landesinneren, nördlich des Flusses. Das Himmels- und Wetterschauspiel schenkt Atmosphäre, die es mit jedem Flussweg aufnehmen kann.

 

 

 

 

Erst abends bin ich wieder unten am Wasser, in Waldshut.

 

 

 

Auch hier waren wir vor fünf Jahren mit dem Sohn, hier begannen wir unsere gemeinsamen Radreisen.  Wie schön sich erinnern zu können. Damals hatten wir es – wie auf jeder unserer kommenden Touren – gut miteinander. (Ob es noch einmal eine geben wird?)

 

 

Andere Bilder dieser #bergundtal-Radreise sind hier zu finden:

#bergundtal-1 – Anlauftage

#bergundtal-3 – Begegnungen

#bergundtal-4 – Tochtertage

8 Kommentare

  1. Ein ganz prima Artikel: wunderbar, Deine Beschreibungen und Gefuehle nachzulesen. Schon alleine das waere mehr als ausreichend, um mir Alles vorstellen zu koennen. Aber dann kommen ja auch noch die Bider, die es einem so anschaulich zeigen.
    Ich selber finde es auch richtig wohltuend, wenn ich lange nach einer Reise meine Bilder wieder anschaue und die Reise so nacherlebe. Im Augenblick bin ich dabei – und das macht viel Spass – endlich einmal meinen Bericht ueber unseren „RailTrailsRoadTrip“ vom letzten Oktober zu Ende zu bringen. Ueber zwei Tage muss ich noch berichten. Das sollte ich schaffen, bevor es dann Mitte des naechsten Monats auf den naechsten geht: die (totale) Sonnenfisnternis (vom Rad aus) zu beobachten, in South Carolina, und auf dem Rueckweg ein paar Rail Trails zu fahren und so unsere „Sammlung“ von US Bundesstaaten, in denen wir mindesten 10 Meilen geradelt sind, um ein paar zu erweitern.
    Ich wuensche Dir erholsame Ferien,
    Pit

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    1. Danke für die Ferienwünsche!
      Eure Radreisebilder sehen wirklich immer sehr verlockend aus … mal schauen, ob ich eines Tages auch noch einmal auf diesem Kontinent radeln werde?
      Liebe Grüße zu Dir
      Frau Rebis

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      1. Es freut mich, dass meine Radreisebilder Dir gefallen, und auch das Interesse am Radeln in Amerika wachrufen. Ich hatte es ja schon mal angeboten, und es bleibt dabei: hier in Fredericksburg steht ein Gaestezimmer immer zur Verfuegung. Die Umgebung – Texas Hill Country – hat auch schoene kleine Landstrassen, auf denen sich gut radeln laesst. Allerdings: manchmal bleibt einem nichts Anderes uebrig, als auch ein paar Meilen auf mehr befahrenen Strassen [und die haben leider so gut wie keinen Seitenstreifen] zu radeln. Leider hat Texas aber keinen einzigen Radfernweg.Mit Langstreckenradeln ist es also hier nichts.
        Ich weiss nicht, ob ich es jemals noch schaffe, aber mir wuerde der Katy Trail [insgesamt 240 Meilen, prima radelbar, keine Strassen] in Missouri, auf dem ich im Oktober ein Stueck geradelt bin, schon sehr gefallen. Oder die Great Allegheny Passage plus Chesapeke & Ohio Canal Towpath, zusammen 335 Meilen. Aber ich glaube, da bin ich zu anspruchsvoll. Schon jetzt. Und ich werde ja nicht juenger. Ich bin mal gespannt, ob ich auf unserer naechsten Tour die zusammen 95 Meilen [in zwei Tagen] auf dem Chief Ladiga Trail und dem Silver Comet Trail schaffe. Sollte eigentlich klappen, denn die weisen, weil es ehemalige Eisenbahnstrecken sind, keine schlimmen Steigungen auf. Ich bin schon riesig gespannt. Und ich werde berichten. Mit Bildern.
        Liebe Gruesse nach „good ol‘ Germany“,
        Pit

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